Foto: Screenshot des Webshops von David Datuna (datuna.com)
„I am a hungry artist, and I am hungry for new interactions. Any break from the matrix is the first step towards revolution of consciousness. It is the first step in resetting our minds from materialistic consumerism to higher forms of expression. Art will pave the way.“ – David Datuna, 2020
Bananen sind gesund, reich an Vitamin C, schmecken und haben dazu noch ein ungeahntes Potential: Kürzlich wurde eine ganz normale Banane zum international bekannten Objekt der Kunst, vergleichsweise teuer verkauft und sogleich verzehrt. Was ist passiert? Der italienische Künstler Maurizio Cattelan befestigte mit einem handelsüblichen Klebeband eine Banane an die Wand eines Galeriestandes auf der Miami Art Basel. Dieses Kunstwerk wurde dann für 120.000,00 $ verkauft. Kaum von einen Sammler erworben, wurde die Banane Objekt und Opfer eines weiteren Künstlers. Der Performance-Artist David Datuna nahm sie von der Wand und aß sie in der Ausstellung auf. Die Äußerung des Künstlers dazu klang zunächst sozialkritisch:
„I think it is a good idea to put it in a museum if it is free to watch. But when you sell it for $ 120,000? Then decide to make a second and third edition, and that third edition is $ 150,000? It is silly, and not good for our contemporary life. I have travelled in 67 countries around the world in the last three years, and I see how people live. Millions are dying without food. Then he puts three bananas on the wall for half a million dollars?”
Dann fuhr er fort, den damit zusammenhängenden Kunstdiskurs darzustellen:
„Cattelan beat Andy Warhol [2]. Maybe I shouldn’t say beat, but brought it to another level. I began to think: ‚What can I do with this banana? How can I bring it to yet another level?‘ And how to do it also with comedy? So I ate the banana. It is something deeper. It’s like the story of Picasso and Modigliani, when they were having problems. Modigliani’s girlfriend gave Picasso some pieces and in the next week or two they had a group exhibition and what happened was Picasso painted his art on top of Modigliani’s art. He just left small pieces that you could recognize as Modigliani but it was Picasso. This is the same thing what happens now, but in a concept. Concept gets another concept.“
Durch den Verzehr des Objekts sei kein Schaden entstanden, äußerte später der Galerist. Der Sammler hätte ein Zertifikat bezüglich der Rechte an der Idee des Künstlers erworben und damit sei nicht die stoffliche Banane und das Klebeband das Kunstwerk, sondern die in einem Zertifikat niedergelegte Idee des Künstlers. Die Aussage legt nahe, dass für den Eigentümer des Zertifikats Banane und Klebeband austauschbar sind und sich auch an anderen Orten und mit frischen Bananen und neuen Klebestreifen realisieren lassen. Die „verbriefte“ Idee des Künstlers ist somit das eigentlich marktfähige Werk, nicht das mit dieser Idee verbundene Arrangement von realen Dingen. Die festgeklebte Banane ist demnach lediglich eine wiederholbare Realisierung der Idee. Dies erklärt auch die Freiheit des Zugriffs auf ein Material, das innerhalb weniger Tage verrotten kann.

Foto: Screenshot des Webshops von David Datuna (datuna.com)
Die Verwendung eines derartigen Materials produziert jedoch auch gewisse Zwänge im Umgang. Zwänge, die in unserem Fall für den Eigentümer des Kunstwerks ebenso gelten wie für den Bananen essenden Performancekünstler.
Ersterer hat im Innenbereich, etwa seiner Wohnung, nur ein paar Tage Zeit, die tatsächliche „Ins-Werk-Setzung“ der von ihm erworbenen Idee zu genießen. Danach wird das Kunstobjekt schimmelig und unappetitlich. Auch die Performance Datunas wäre anders ausgefallen, wenn ihm die Idee einige Tage später gekommen wäre. Vermutlich hätte er die bis dahin angefaulte Banane nicht in einer Performance verzehrt und als weitere Konsequenz wären seine Performance und die dazu abgegebene Begründung anders ausgefallen.
Es gehört zu den Eigenschaften von Dingen, dass wir mit ihnen umgehen und den Umgang wie selbstverständlich beherrschen, sie aber unseren Umgang mit ihnen durch ihre spezielle Verwendbarkeit ebenfalls determinieren, und erst recht durch eine Veränderung ihrer an die jeweilige Verwendungsmöglichkeit gebundenen Zustandsform. In der Alltagswelt fällt uns das üblicherweise erst auf, wenn die Auflösung der Gegenstandsfunktion(en) die eingeübte Gebrauchsfähigkeit(en) verschwinden lässt. Dann wird jedes Ding sperrig, das Objekt wird entwertet und es beginnt sein Weg in die Weiten der Deponie. In der Kunst der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts, insbesondere in den sich nach dem ersten Weltkrieg herauskristallisierenden und zur „bürgerlichen“ Kunst oppositionellen Bewegungen, wurde der Sachverhalt dieses praktischen Sinnverlusts als Möglichkeit der künstlerischen Provokation begriffen, die bis weit in die Kunst der 70er Jahre hineinwirkte. Der Dadaist Kurt Schwitters überführte in seinen Märzbildern der 20er Jahre allerdings noch die unnütz gewordenen und weggeworfenen Dinge in bis heute „stabile“ Kunstobjekte und damit in einen neuen und dauerhaft sinnvollen Zustand. In den 70er Jahren begannen jedoch einige Fluxuskünstler, etwa der Schweizer Dieter Roth, den unabwendbaren Verfall zum Thema zu machen und nahmen neue Materialien ins Kunstwerk auf. Da es dem Künstler um Kunstobjekte ging, wurden besondere Verfahren notwendig: Dieter Roth setzte seine Schokolade- und Käseskulpturen in hermetisch geschlossene Glasbehältnisse, um die kunstinteressierte, zum Kauf und Sammeln geneigte Umwelt vor den olfaktorischen Folgen des Zerfalls der Skulpturen zu schützen. Ein weiteres Beispiel bot der Konzeptkünstler Carlo Manzoni. Seine „Künstlerscheiße“ wurde 1961 als Auflagenobjekt geruchsneutral in 90 signierte und nummerierte Konservendosen eingeschlossen und gewichtsäquivalent zum Goldpreis verkauft. Rein theoretisch hätten beide Künstler ihre Kunst ebenso als unverpackte Kunstobjekte absetzen können, ohne die dahinter liegende kritische Idee zu beschädigen – allerdings mit gewissen Folgen für ihr Umfeld, die Handhabung und damit für die Marktfähigkeit.
Zu den Umständen des heutigen Kunstschaffens gehört es nun, dass eine Lösung entwickelt wurde, die jedes verwendete Material von seinen materialimmanenten Zwängen entkoppelt. Es handelt sich dabei um die zum Werk gewordene niedergelegte Idee.
Nötig dafür ist ein Künstler, dessen Idee und deren Fixierung als von ihm autorisierte und handelbare „Notation“, deren Inhalt gegebenenfalls auch von anderen ins Werk gesetzt werden kann. Bei einem solchen Verfahren ist die kontextuelle Einbettung in alle mit der Kunst verbundenen Ebenen zentral. Erst diese Einbettung macht es möglich, das Ganze als Objekt der Kunst zu begreifen, monetär zu bewerten und auf dem Kunstmarkt zu handeln. Ein Teil dieser Einbettung besteht im Kunstdiskurs. Er ist, wie der Soziologe Pierre Bourdieu ausführt, ein Bestandteil der Produktion von Sinn und Wert des Werkes, für die Komplexität der Wahrnehmung eines Werks verantwortlich und hat historische Wurzeln. [3]
Die wichtigsten Schritte der Entkopplung von Werk und Idee werden Marcel Duchamp zugeschrieben und sind insbesondere in dem von ihm erfundenen „Readymade“ angelegt, das erst Jahrzehnte später seine subversive Wirkung in der Kunst entfaltete.
Beim Readymade handelte es sich um die Auswahl eines bereits vorhandenen Gegenstandes, der mit oder ohne Signatur und in einigen Fällen mit einer Beschriftung versehen, sich im Kunstbetrieb der zwanziger Jahre als Kunstobjekt wiederfand. Die Wahl solcher Gegenstände war offensichtlich nicht unkompliziert, wie Duchamp später in mehreren Interviews darstellte. Um eine gelungene Auswahl bezüglich der Eigenschaft als „Nichtkunst“ treffen zu können, bezog sich Duchamp auf einen Zustand der Indifferenz, der nötig sei, um einen Gegenstand zu finden, „der einen völlig kalt lässt und keine ästhetischen Emotionen hervorruft“. [4] Diese affektive Neutralität sollte durch die Enthaltung von spontaner Wertung und Zuordnung eine maximale Kunstferne bei der Auswahl ermöglichen. Für Duchamp sollte die Auswahl von Objekten also nicht nach ihrem ästhetischen Reiz oder ihrer kontextuellen Bedeutungsoption im aktuellen oder zukünftigen Kunstdiskurs geschehen, sondern möglichst frei davon und neutral, analog einem Konzept, das Sigmund Freud einige Jahre vorher mit dem Begriff der „gleichschwebenden Aufmerksamkeit“ des Analytikers in seiner Behandlungssitzung bezeichnet hat.
Auch später schien Duchamps Haltung dem Readymade gegenüber von einer gewissen Indifferenz geprägt zu sein. Viele der Arbeiten sind bei einem von Schwester und Schwägerin organisierten Atelierumzug vor seiner Reise nach Amerika entsorgt worden, ohne große Verlustgefühle bei ihm auszulösen. Warum auch, den berühmten Flaschentrockner gab es bis in die 60er Jahre zu kaufen. Duchamp signierte in den 60er Jahren eine ganze Reihe von Flaschentrocknern und gab 1962 Werner Hoffmann brieflich die Erlaubnis, ein solches Objekt in seinem Namen auszustellen. In der Konsequenz war dies ein weiterer Schritt der Entkopplung, denn das neue Objekt ersetzte aufgrund der postalischen Autorisierung des Ideengebers das „authentische Original“ vollständig. Der dritte Schritt lag in der Erstellungs- bzw. Inszenierungsanweisung zur Realisierung eines Werkes, auch diese ist von Marcel Duchamp bekannt. Die implizite Serialität dieser Art von „Kunstrezept“ macht aus jedem nach der Anweisung gefertigten Gegenstand ein Auflagenobjekt.
Datuna hat nun das Ganze ergänzt und nach seiner Initialaktion auf der Art Miami die Banane und andere essbare Gegenstände als gesockelte Objekte in einen Webshop integriert, dessen Erlöse an ein auf Krebs spezialisiertes Krankenhaus gespendet werden sollen.
Die Gegenstände? Auch wenn man immer Kritik an einer Auswahl von Objekten äußern kann, es handelt sich insgesamt um bunte Dinge, essbare vegane Snacks, Drinks und Nahrungsergänzungsmittel von bekannten amerikanischen Marken, etwas Obst sowie ein grünes Gemüseblatt, ein nicht ganz zeitgemäßer Nahrungsmix also. Die Spende? Die maximale Höhe der Einnahmen beträgt rein rechnerisch 700.000 $ und deren Verwendung wird, falls die Einnahmen gespendet werden, endlich das Feld des Kunstdiskurses verlassen.
Quellen
[1] Link
[2] Andy Warhol gestaltete für die Band Velvet Underground & Nico 1967 das berühmte Plattencover mit der gelben Banane. Der Künstler Thomas Baumgärtel sprühte die Banane dann etwa ab 1980 an Orte der Kunst.
[3] Pierre Bourdieu; Die Regeln der Kunst; Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2019; S.270 ff
[4] Pierre Cabanne, Gespräche mit Marcel Duchamp, Verlag Galerie der Spiegel, Köln 1972, S. 66 ff.