Fertigungsverfahren sind Verfahren zur Herstellung von Dingen. Jedes hergestellte Objekt beruht auf solchen Fertigungsverfahren, egal ob es sich um einen handwerklich hergestellten Gegenstand wie ein Schmuckstück oder ein Industrieprodukt wie die Bremsscheibe eines Autos oder dessen lackierte Türe handelt.
Natürlich gibt es dazu eine DIN-Norm, nämlich die DIN 8580. Sie unterscheidet zwischen 6 Hauptgruppen dieser Verfahren, nämlich, erstens dem Urformen, das aus einem formlosen Material ein Werkstück herstellen kann (Gießen, Pressen etc.). Der zweite Punkt, das Umformen, bezeichnet Verfahren, mit dem ein Werkstück durch Schmieden, Walzen, Biegen etc. in seiner Form modifiziert wird. Trennen, der dritte Punkt, bezeichnet die Veränderung eines Werkstücks durch Verfahrensweisen, bei denen Material entfernt wird. Die vierte Hauptgruppe, Fügen, fasst alle Verfahren zusammen, mit denen unterschiedliche Werkstücke lang anhaltend miteinander verbunden werden, etwa durch Schweißen, Kleben, Schrauben etc. Beschichten, der fünfte Punkt, bezeichnet alle Verfahren, mit denen aus einem formlosen Material eine langanhaltend haftende Schicht auf ein Material aufgebracht wird. Der letzte Punkt, Stoffeigenschaften ändern, bezieht sich überwiegend auf metallische Materialien, bei denen sich die Eigenschaften durch Härten oder Glühen oder chemische Reaktionen verändern lassen. Die „generativen Verfahren“, etwa der 3D Druck, gehören zu den Neuerungen dieser DIN.
Wenn man sich allerdings die geschichtliche Entwicklung vor Augen hält, wo die Fähigkeit des „Urformens“ und „Umformens“ Jahrtausende später entstand als die Fertigkeit zu trennen, zusammenzufügen und zu beschichten, belegt die Geschichte eine völlig andere Entwicklung der Fertigkeit zur Fertigung. Der Beginn der Herstellung von gebranntem Ton, mit Urformen verbunden, lässt sich auf etwa 29.000 Jahre v. Chr. datieren, die Metallverarbeitung auf etwa 10.000 Jahre v. Chr. Die ältesten erhaltenen Zeugnisse menschlicher Fertigung sind dagegen kleine Figuren und Schmuckstücke aus Muscheln, Steinen und Knochen. Im Bereich des Schmucks sind die die ältesten erhaltenen Artefakte möglicherweise über 110.000 Jahre alt und wurden gebohrt und gefeilt (Trennen), wahrscheinlich mit Erdpigmenten gefärbt (Beschichten) und mit einem geeigneten Material haltbar verbunden (Fügen).
Die Hierarchie der Einteilung der DIN bezieht sich insofern auf die Herstellung heutiger Produkte und auf die damit verknüpfte Logik von Bearbeitungsschritten ausgehend von speziell aufgearbeiteten Rohmaterialien. Moderne Rohstoffe unterscheiden sich deshalb von den Ausgangsmaterialien der in der frühen Steinzeit hergestellten Gegenstände vollkommen.
Weder gab es reine Metalle, keramische Rohstoffe noch Kunststoffe oder definierte chemische Substanzen. Es stand zur Verfügung, was die Umwelt an Organischem und Unorganischem unmittelbar bereitstellte: Tiere, Bäume und Pflanzen, Flintstein und andere Steine, Muscheln, Schnecken, Mammutzähne und erst vergleichsweise spät Kupfer- und Zinnerze, das Ausgangsmaterial für die Herstellung von Bronze. Dies ist allerdings nicht der einzige Unterschied. Auch unsere Begrifflichkeit und die dieser zugrundeliegenden Vorstellungsbilder passen nicht. Zum Beispiel führt der Begriff „Produkt“ in die Irre, weil er die technischen und ökonomischen Prozesse voraussetzt, in die wir heute wie selbstverständlich integriert sind: Arbeitsteilige industrielle Fertigung in globalen Wertschöpfungsketten, Design, Marketing und Handel etc. Auch wenn bei manchen Funden, insbesondere bei Elfenbeinperlen, offensichtlich schon arbeitsteilige Abläufe bei der Herstellung existierten – es gab schon vor über 40.000 Jahren Werkstätten zur Herstellung derartiger Objekte –, sind die modernen, von der Kultur des marktbezogenen Wirtschaftens geprägten Vorstellungen für diese Objektwelt nicht zutreffend.
Die Elfenbeinperlen wurden in eng umgrenzten Siedlungszusammenhängen gefunden und unterschieden sich in der Form von anderen Funden in benachbarten Siedlungen. Überschneidungen gab es nicht. Darum geht die archäologische Forschung davon aus, dass die Perlen mit der Konstitution einer Gruppe zusammenhängen. Betrachtet man die existentielle Bedeutung eines Gruppenzusammenhalts in einer vollkommen ungestalteten Welt,wird die Wichtigkeit der Herstellung von ausschließlich im Kontext einer Gruppe verwendeten und diese Gruppen verbindenden „schmückenden“ Objekten verständlich. Objekte, deren unmittelbare Notwendigkeit im „Kampf um die Existenz“ zunächst nicht einleuchtend erscheint, entwickelten durch die Markierung der Zusammengehörigkeit nach innen und nach außen eine wichtige symbolische Funktion für die Gruppe und konnten so zum Überleben des Einzelnen beitragen. In diesem Zusammenhang gehört zu den damaligen Fertigkeiten nicht nur die konkrete Materialbearbeitung, sondern auch die Materialbearbeitung zur Herstellung symbolischer Funktionen der hergestellten Dinge, wie etwa diese frühsteinzeitliche Gruppenzusammengehörigkeit.
Mit der Digitalisierung ergab sich ein großer Entwicklungsschub, da Produkte ihren Nutzen massiv erweiterten: Die produktbegleitende Erlebnisproduktion konnte aufgrund der nahezu unbegrenzten kommunikativen Vernetzung aller Marktteilnehmer beginnen. Sie erweiterte das Streben nach einem allgemeinen Vertrauen in die Qualität der Produkte (Hans Domizlaff) zu Beginn des 20. Jahrhunderts hin zur Rolle des Unternehmens als Gestalter von Erfahrungen. B. Joseph Pine und James H. Gilmore, die beiden Autoren des diesbezüglichen Schlüsselwerks „The Experience Economy“ nahmen nicht von ungefähr Anleihen von Konzepten der Kunst in ihre Konzeption auf. Kunst, insbesondere die performativen Künste wie das Theater (hier insbesondere Richard Schechner), bot für sie anregende Beispiele für die neuen Aufgaben von Dingen und Dienstleistungen. Neben Erlebnissen beim Einkauf, den Services und dem Gebrauch sollen auch künstlerischen Äußerungen zugeschriebene Innovations- und Veränderungspotentiale durch die Inszenierbarkeit der Dinge beim Gebrauch zur Wirkung gebracht und zur neuen Produktwelt werden.
Vielleicht sollte man deshalb einen weiteren Punkt zu den Techniken der Fertigung hinzufügen, nämlich den, materielle Dinge mit symbolischem Sinn zu versehen, denn auch dieser wird heute in einem mit der Fertigung verbundenen industriellen Prozess hergestellt. Dieser zentrale Punkt moderner Produktion würde die Stoffeigenschaften erweitern.