Foto: Pexeles, Autor Oliur Rahman
Die Smart Watch, ein uhrenartiger Kleincomputer, wird immer beliebter. 2019 wurden weltweit etwa 337 Mio. Smart Waches verkauft, der Absatz soll 2025 auf über 550 Mio. steigen. Diese großen Volumina kumulieren mit bereits vorhandenen Geräten, da eine Smart Watch üblicherweise mehrere Jahre genutzt wird. Getragen werden also mehr.
Die Smart Watch ist ein interessantes Objekt: Eine Art Armbanduhr, die wie diese selbst Technik und Körperschmuck verbindet. Das technische Wunder der Armbanduhr bestand in einem sehr kleinen mechanischen Uhrwerk, das dem Träger und der Trägerin der Uhr über die Befestigung am Handgelenk die Zeit jederzeit und ortsunabhängig sichtbar machte und sie ein wenig mehr im sozialen Takt ihrer Umwelt verankerte. Das aktuelle „Wunder“ der modernen Smart Watch besteht in einem Kleinstcomputer mit einer Vielzahl von digitalen Funktionen, die global nutzbar sind. Mit dieser Informationsfunktion hat zuerst die klassische Uhr als technisch erweitertes Armband die traditionelle Formenwelt des Schmucks nur wenig verändert. Die Smart Watch als multifunktionales Kommunikationsgerät im Kleinstformat verändert möglicherweise sehr vieles.
So entsteht durch die Geräte noch eine andere Art von Sichtbarkeit, die nicht ausschließlich mit der räumlichen Präsenz des Trägers verbunden ist, sondern mit der Präsenz in den sozialen Medien. Hier können sich raumlose individuelle Gemeinschaften entwickeln, wie es etwa bei Freundschaftsnetzwerken oder privaten Chatgruppen der Fall ist. Durch das riesige Angebot an verfügbaren Applikationen, aus dem jeder Nutzer je nach Bedarf eine Auswahl treffen kann, werden Smart Watches zudem zu in ihren Funktionen hochgradig individualisierbaren Designprodukten.
Neben der Kommunikation sind häufig genutzte Funktionen der Smart Watches mit Gesundheit und Sport verbunden. Sie erweitern die fast archaisch anmutende Basisfunktion der Zeitmessung am Handgelenk um einen wesentlichen Aspekt, nämlich den direkten und objektiven Bezug des Objekts zum Körper des Trägers. Die Geräte ermöglichen u. a. die Überwachung und Steuerung von körperlichen Funktionen z. B. des Herz-Kreislaufsystems, des Schlafs oder der körperlichen Bewegungen im Raum inklusive der Warnung bei Stürzen. Zudem sind sie Kommunikationsgeräte, die der Vernetzung von sozialen, physiologischen und geografischen Informationen dienen. Sie dringen über Sensoren in den Körper und in die diesen umgebende Umwelt ein und erweitern durch die Kommunikationsmöglichkeiten die Reichweite ihres Trägers. Gleichzeitig erschöpft sich die Funktion der Smart Watch nicht in der Erhebung und Anzeige der erhobenen Daten. Eine große Anzahl von Diensten können aus den ermittelten Daten abgeleitete Vorschläge für die Senkung des Kalorienverbrauchs genauso wie für das tägliche Training und den Trainingseffekt für das Herz, die Optimierung der Ruhephasen und der Schlafrhythmen ableiten und bieten Programme etwa zur Verhaltensoptimierung an. Dafür werden die von den abonnierten Diensten erhaltenen Informationen bearbeitet und die Kumulation der Daten vieler Träger ermöglicht den Anbietern weitreichende Schlüsse, die sich ein weiteres Mal jenseits der Nutzer ökonomisieren lassen.
Da die Smart Watch trotz aller Unterschiede mit der Tradition der am Handgelenk getragenen mechanischen Uhr verbunden bleibt, begleitet sie natürlich auch deren Fähigkeit zur Distinktion. Seit ihrer Erfindung waren Armbanduhren wichtige Ausweise der sozialen Positionierung, dies gilt auch für die Smart Watch. So wundert es nicht, daß Apple mit nahezu 50 % aller Verkäufe von Smart Watches die Charts anführt. Insbesondere dieser Konzern steht wie kaum ein anderes Unternehmen für hochpreisige Qualität und digitale Zeitgenossenschaft. 2019 verkaufte Apple 30,7 Millionen Smart Watches, während die gesamte Schweizer Uhrenbranche „nur noch“ 21,1 Millionen Armbanduhren verkaufen konnte, rund 13 Prozent weniger als im Vorjahr.
Sie bestehen aus einem Federwerk als Energiespeicher, einem von diesem in Bewegung gesetzten Zahnradgetriebe und dienen, neben der Präsentation des Wertes der Uhr, ausschließlich der Anzeige der Zeit und ggf. des Datums. Dennoch können die Preise solcher Objekte schnell sechsstellig werden. Bei mechanischen Uhren entsteht dieser Objektwert aufgrund des hohen Entwicklungsaufwands des jeweiligen Uhrwerks, dessen handwerklicher Fertigung in vergleichsweise kleinen Serien, der langen Garantie für den Erhalt von Ersatzteilen sowie der hohen Positionierungskosten der wenigen und meist weltweit bekannten Uhrenmarken. In den ersten drei Punkten ist die mechanische Uhr damit das vollständige Gegenteil der Smart Watch, denn dabei handelt es sich um ein auf Skalierbarkeit ausgelegtes industriell produziertes Massenobjekt mit ebenfalls auf Skalierbarkeit ausgelegten digitalen Funktionen. Die mechanischen Uhren des Premiumsegments heben sich dagegen in ihrer sorgsam gepflegten Exklusivität der wenigen in einer Manufaktur gefertigten feinmechanischen Objekte davon ab. Sie sind insofern aufgrund von Herstellung und Technik konservativ konnotiert.
Vollkommen anders ist dagegen der Produktlebenszyklus mechanischer Uhren. Natürlich sind auch mechanische Uhren Konsumzyklen unterworfen, in denen sich ihr Aussehen und ihre Technik verändern. Dennoch waren Uhren mit den typischen Formen der 50er und 60er Jahre bis vor Kurzem Kult und konnten bei den Auktionen hochwertiger Uhren, die auch von namhaften internationalen Auktionshäusern veranstaltet werden, hohe Preise erzielen. Viele mechanische Uhren sind aufgrund des Fertigungsaufwands und der damit verbundenen geringen Auflagenhöhe sowie der Langlebigkeit mechanischer Werke ein allgemein anerkannter Wertspeicher. Trotz Ähnlichkeiten bei der Nutzung unterscheiden sich interessanterweise in diesem Zusammenhang die Uhren vom Schmuck: Bei Schmuckobjekten generiert der handwerkliche Aufwand nur in einigen Fällen einen dauerhaften Wert. Die Funktion des Wertspeichers übernimmt vorwiegend das Material, also Steine und Edelmetall. Die Einschätzung des Materialwerts ist meistens die Grundlage der Preisbildung beim Wiederverkauf.
Als dauerhafter Wertspeicher taugt eine Smart Watch dagegen nicht. Zwar entsteht durch die Nutzung von Diensten ein hoher subjektiver Wert, etwa durch die Zugehörigkeit zu sozialen Netzwerken oder zum Beispiel bei einer Trainings-App, bei der sich durch die dauerhafte Nutzung im Zeitverlauf die eigene Entwicklungen ablesen lässt. Der eigentliche ökonomische Wert ist aber nicht mit dem Objekt selbst verbunden, sondern mit den genutzten Diensten, und entwickelt dort über die generierten Daten den zentralen Bereich der Wertschöpfung. Der Wert wandert also weg vom Gegenstand und Werk hinein in die mit ihm verbundene Cloud der Anbieter von Kommunikationslösungen und Applikationen.